Ladefoxx4.0
Was macht Industrie4.0 aus? Es werden Studien und Magisterarbeiten darüber geschrieben, aber am Ende läuft viel auf einen einfachen Begriff hinaus: Innovation. Unternehmen brauchen sie, um wettbewerbsfähig zu sein. Und Unternehmen geben sie ihrem Umfeld – den Mitarbeitern, den Partnern, der Region. Oh ja – denn wirtschaftlicher Erfolg wächst nicht isoliert hinter der Glasfassade einer Firmenzentrale! Denn wer etwas unternimmt. will nun einmal nach vorn.
Es ist manchmal schon erschreckend, wie wenig man von Technik verstehen muss, um sie zu bedienen. Fast jedes für den Haushalt entwickelte Produkt funktioniert heute auf Knopfdruck automatisch. Der Bediener muss nicht wissen, welche Temperatur, welche Dauer oder welche Spülmitteldosierung erforderlich ist. Diese Regeln sind in einem gespeicherten Prozess-Programm festgelegt, nach dem in 95 Prozent der Fälle ein optimales Ergebnis erzielt wird. Während im Haushaltsbereich durch grössere Automatisierung der Arbeitsaufwand kontinuierlich abnimmt, sind Rationalisierungseffekte in Fertigungsunternehmen durch den verstärkten IT-Einsatz nur zum Teil erzielt worden. Ein typisches Beipsiel für dieses Phänomen ist der Bereich der Fertigungssteuerung in der Kleinserie. Unter der Zielsetzung einer optimalen Terminierung, sowie einer Reduzierung von Durchlaufzeiten und Beständen werden komplexe Industrie4.0 Systeme installiert. Ganze Stäbe von hochqualifizierten Mitarbeitern sichern die Betriebsbereitschaft der Infrastruktur. Für die Bedienung sind entsprechende Spezialisten ausgebildet worden. Allein die Umstellung von einer traditionellen auf eine Industrie4.0 Abwicklung war und ist für die meisten Firmen ein grosser Kraftakt. Auch wenn Transparenz und Termineinhaltung besser geworden sind, ist der Aufwand zur Systembedienung und -pflege nicht zu unterschätzen. Gibt es dazu Alternativen?
Prinzip Spülmaschine, das Vorbild für einen neue Steuerungsstrategie? Einen ersten Lösungsansatz hierzu verdeutlicht das Beispiel der Spülmaschine. Sie arbeitet mit fest installierten Programmen, die automatisch und ohne Einflussnahme des Bedieners die Tätigkeit des Geschirrspülens ausführt. Auf diese Weise kann das normal verschmutzte, das unproblematische Geschirr gereinigt werden. Lediglich ein geringer Teil des Geschirrs, die besonders stark verschmutzten Töpfe und Pfannen, muss nach wie vor mit dem klassischen Handverfahren abgearbeitet werden.
Ist dieses Prinzip auch auf die Industrie4.0 vernetzte Fertigungssteuerung übertragbar? Unkritisches und Unproblematisches würde demnach per Programmwahl mit festen Regeln gesteuert. Die aktive Handsteuerung beschränkt sich auf den geringeren, kritischen Teil. Kritisch und problematisch sind im Industrie4.0 Verantwortungsbereich u.a. Teile mit Verzug und Kapazitäten mit Überlastung (Überstunden, Materialberge vor der Maschine). Diese Teile und Kapazitäten stellen bezüglich des Industrie4.0-Prozessflusses einen Engpass dar. Studien zeigen, dass der grösste Prozentsatz (95 %) jedoch unkritisch ist, so dass sich ähnliche Verhältnisse wie in dem Beispiel der Spülmaschine ergeben. Eine nach dem Spülmaschinenprinzip funktionierende Industrie4.0-Steuerung müssen demnach wie folgt organisiert/programmiert sein:
(a) fast alles, dh. die unkritischen Kapazitäten und Teile, werden nach einem festen Programm mit definierten Regeln quasi automatisch ohne direkte Einflussnahme abgearbeitet – Industrie4.0 vernetztes Internet der Maschinen.
(b) Engpassteile werden per Hand gesteuert/gefertigt. Die in der smarten Fertigungssteuerung vorhandenen Kräfte konzentrieren sich auf die Engpässe – Selbstoptimierung durch Coworking und Arbeiten4.0 Flexibilisierung.
Dieses neue Industrie4.0 Steuerungsprinzip wirft jedoch zwei grundsätzliche Fragen auf:
(1) welche Regeln können für die Steuerung der Nicht-Engpässe genutzt werden #Industrie4.0 Fokus
(2) wie findet man die kritischen Teile und Kapazitäten, die Engpässe #Arbeiten4.0 Fokus
Die einfachste Regel, die für die Industrie.40 Abarbeitung der Nicht-Engpässe aufgestellt werden kann, lautet First-in, First-out (FIFO). Nach dem Motto wer zuerst kommt, mahlt zuerst wird im Maschinenpark oder Kapazitätsgruppe generell der Auftrag als nächster bearbeitet, der zuerst eingesteuert wurde. Moderne Industrie4.0-Verkettungen berechnen automatisch auf Basis von Auftragsverzug und Priorttätsdaten in Echtzeit die optimale Auftragsreihenfolge. Die für das Geschirrspülen ausreichende subjektive Bewertung von unproblematisch und problematisch reicht für die Einteilung in Industrie4.0 und Arbeiten4.0 Abläufe also tatsächlich aus. Arbeiten4.0- oder Manufaktur-Prozesse sind vor allen Dingen durch folgende Kriterien gekennzeichnet:
– grosse Warteschlangen an Aufträgen und Materialberge
– hohe Kapazitätenbindung, Überstunden, Sonderschichten
Das neue Prinzip der Belastungs-orientierten und kombinierten Industrie4.0/Arbeiten4.0 Organisation legt die Arbeitsteilung in die Selbstorganisation. Die Kombination, das ist eine Strategie, die konsequent darauf ausgerichtet ist, bei reduziertem Aufwand deutlich verbesserte Ergebnisse zu erzielen. Hohe Kosten und hohe Aufwendungen werden heute zumindest mit der Komplexität der vorhandenen Industrie4.0 Problemstellungen begründet. Das Beispiel der Spülmaschine zeigt, dass häufig nur die Aufgabenteilung zwischen vernetzter und manueller Abläufe falsch definiert ist. Dies ist ein Beitrag zur schlanken Fertigung, denn beim richtigen Einsatz kann der Personalaufwand für die aktive Steuerung mittels künstlicher Intelligenz Regelfindung auf ein Minimum reduziert werden.
Eine solche Vision in digitaler Zeit ist mit Viererpotenz zu beschreiben; zumal immer häufiger von Visionen oder vom Fehlen von Visionen gesprochen wird. Viele bemächtigen sich dieses neuen alten Wortes, Manager, Politiker und natürlich Werbetexter. Vision ist zum ultimativen Schlagwort geworden. Doch ist sie mehr als das? Oder ist Vision nur ein neuer Name für langfristiges Ziel oder eine besonders innovative Strategie oder Idee? Oft scheint mir Vision gesagt zu werden, wenn nur das gemeint ist. Eine Vision ist dann schon, das beste Auto der Welt bauen zu wollen oder ökologisches Bier auf den Markt zu bringen. Landläufige Vorstellungen von dem, was Vision ist, greifen für mich zu kurz. Man braucht kein neues Wort, wenn man langfristiges Ziel oder innovative Strategie meint. Ladefoxx4.0 ist mehr! Wichtiger noch scheint mir das Verb visionieren zu sein: der Prozess, durch den Vision entsteht.
Am besten nähert man sich wohl dem Bedeutungsinhalt von Vision, wenn man sich fragt, wozu Visionen eigentlich dienen. Visionen sind, in erster Näherung gesagt, eine Vorstellung von der Zukunft, die man erschaffen möchte. Und sicherlich sollen diese Zukunftsentwürfe schöpferisch sein. Sie sollen neue Möglichkeiten aufzeigen. Visionieren – ein Vorgang, der noch zu definieren ist – dient dazu, solche kreativen Zukunftsentwürfe zu schaffen. Die Vision soll dann vor allem den Wunsch wecken, sie zu verwirklichen. Die Vision soll inspirieren und stimulieren; sie soll emotionale Energien freisetzen. Die Vision soll ein Gefühl der Dringlichkeit und ein Gefühl des Herausgefordertseins erzeugen. Sie soll das Gefühl geben, für eine wichtige, vielleicht grossartige Sache zu arbeiten. Sie soll Sinn vermitteln, eine innere Identifikation schaffen und zum Handeln anregen. Sie soll einen Sog auf alle Menschen im Unternehmen ausüben, einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Die Vision soll das ganze Unternehmen aktivieren. Es ist der kreativitätsfördernde und gefühlsaktivierende Effekt, der Vision und Visionieren vor allem ausmacht.
Ladefoxx4.0 – wie auch Unternehmensvisionen – sind Vorstellungen von der digitalen Zukunft, die man erschaffen will; aber damit ist noch nicht alles gesagt. Wenn die vorher beschriebenen Wirkungen eintreten sollen, müssen weitere Eigenschaften hinzukommen. Die vielleicht wichtigste Eigenschaft von Visionen4.0 liegt darin, dass sie mentale Bilder sind. Eine solche Vision hat nur der, der sich die Zukunft mit dem geistigen Auge auf lebendige Weise vorstellen kann. Zu visionieren bedeutet daher, die Augen zu schliessen und sich Szenen aus der Zukunft auszumalen. Da wir aber in einer Kultur gross geworden sind, in der Begriffe und Abstraktionen einen hohen Stellenwert haben, neigen wir dazu, Ziele zu denken. Wir neigen weniger dazu, aktiv mit unser Fantasie zu spielen und mögliche Zukünfte zu imaginieren. Das würde ja auch mehr Zeit und Ruhe voraussetzen, als viele Führungskräfte (im eigenen Umfeld) glauben zu haben.
Doch im schöpferischen Innehalten und entspannten Visionieren liegt der Schlüssel für das Schaffen kreativer Zukunftsentwürfe und das Aktivieren innerer Energien. Denn Vorstellungsbilder sind viel emotionaler als Worte; sie wecken positive Gefühle in uns, erzeugen Zuversicht und Elan. Ein Sportler, der eine Olympiamedaille gewinnen will, sollte sich daher vorstellen, wie er im Wettkampf alle Kraftreserven mobilisiert, als Erster durch die Ziellinie läuft und hinterher auf dem Siegertreppchen steht, die Flagge seines Landes sieht, seine Nationalhymne und den Applaus der Zuschauer hört. Solche Bilder graben sich tief in unser Bewusstsein ein. Wie Erinnerungen sind die vorgestellten Zukunftsszenen auch präsent, wenn wir nicht an sie denken, und lenken unbewusst unser Handeln. Und wenn wir uns in (notwendigerweise) entspanntem Zustand Bilder vorstellen, werden wir auch kreativer. Wir verlassen die eingetretenen Pfade der Begriffe und überwinden leichter die innere Zensur. Wir erleben die Zukunft innerlich vorab, wodurch sie, wenn sie ungewöhnlich ist, uns unsere (German) Angst vor ihr verlieren lässt. Wenn man innerlich oft genug gesehen hat, wie man einen neuen, unbekannten Pfad beschreitet, dann hat man in der Wirklichkeit keine Angst mehr davor.
Visionen4.0 sind aus Erfahrung weiterhin immer holistisch. Während Ziele sich auf einen Punkt richten können (zum Beispiel ein Produkt im Markt einzuführen), beschreiben digitale Visionen viele Facetten der Zukunft. Ein einziges mentales Bild reicht also nicht aus. Vision hat der, der – nur wenig übertrieben gesagt – hundert lebendige Bilder seiner gewünschten Zukunft vor Augen hat. Und für Unternehmen gilt die Zahl der hundert Bilder allemal. Unternehmensvisionen beinhalten deshalb mehr als die langfristig erstrebte Marktstellung und strategische Grundausrichtung der eigenen Firma. Sie sind umfassender als eine Milliarde Euro Umsatz im Jahr, eine Filiale in jeder europäischen Metrolpole oder bester Service der Branche. Sie zeichnen vielmehr ein lebendiges und facettenreiches Bild von der Zukunft des Unternehmens und des von ihm beeinflussten Umfelds. Alles, was sich überhaupt nur sinnvoll für die Zukunft erwünschen und erstreben lässt, kann und sollte Bestandteil dieser Unternehmensvision sein. Dazu gehört, welche Kunden man künftig hat, genauso wie etwa das Aussehen des Firmengebäudes, das man vielleicht neu errichten will. Dazu gehören die überragenden Produkte genauso wie der intensive Fluss von Informationen, der künftig das Unternehmen in alle Richtungen durchdringt. Die Vision beschreibt Werte, die in Zukunft gelebt werden sollen, genauso wie Gefühle, die in Zukunft gefühlt werden sollen. Gerade indem hohe Werte (zum Beispiel Vertrauen, Hilfsbereitschaft, Respekt, Qualität) und Gefühle (beispielsweise Begeisterung und Stolz der Mitarbeiter, leuchtende Augen) in die Vision aufgenommen werden, wird sie Sinnstiftend und emotional attraktiv. Was wäre auch die Vision einer Zukunft, wenn in ihr nicht positive Gefühle wie Freude, Stolz und Optimismus vorkämen. Unternehmensvisionen beinhalten also einerseits anspruchsvolle, doch erreichbare Herausforderungen und zeichnen gleichzeitig ein Idealbild, das nie ganz erreicht werden kann.
Eine Unternehmensvision steht schliesslich nicht auf dem Papier. Man kann zwar etwas zu Papier bringen und Vision4.0 darüber schreiben, aber das ist dann nicht die Vision. Vision4.0, das sind – wenn sie da sind – die hundert lebendigen Bilder in den Köpfen und Herzen der Führungskräfte und Mitarbeiter des Unternehmens. Ein Text auf Papier kann nur ein Abglanz, ein Schattenriss davon sein: schwarz-weiss, steril und um die entscheidende Dimension geschrumpft. Er enthält nie die Bilder, die die Vision lebendig machen. Wer also ein Unternehmen mit Vision4.0 führen will, muss den Prozess organisieren, in dem mentale Bilder von der Zukunft entstehen. Wie so ein Prozess aussieht, wird im Folgenden beschrieben. Er basiert auf Erfahrungen des Autors in einer Familienunternehmens-Gruppe, wo, beginnend mit der Führungsspitze, schliesslich alle Mitarbeiter in die Visionsentwicklung einbezogen wurden. Ziel war, die Visionsfacetten aller Mitarbeiter zu einer reichen und lebendigen gemeinsamen Vision4.0 zusammen zu weben und daran alle teilhaben zu lassen.
Die Führungsspitze macht bei der Arbeit mit der digitalen Vision den ersten Schritt. Sie lernt (in der Regel in einer Klausur), sich Bilder aus der Zukunft vorzustellen. Ein Moderator hilft dabei den Teilnehmern, sich zu entspannen, und führt sie mit gelenkten und freien Fantasiereisen durch ihre mögliche Zukunft. In diesen Reisen werden alle Bereiche des Unternehmens abgedeckt, die Aussenbeziehungen zu Kunden, Lieferanten und anderen, sowie der Innenwelt; die Produkte und Strukturen (Gebäude, Organisation), genauso wie Werte und Gefühle. Mit Anleitung und etwas Übung steigt die Fähigkeit zu visionieren. Manchmal wird dabei Arbeit an der Strategie mit der Visionsentwicklung verbunden. Dann wird mit den üblichen Markt-, Umfeld- und Unternehmens-Analysen zunächst gemeinsam die Realität mit ihren Entwicklungstendenzen untersucht. Die danach folgende Strategie-Entwicklung wird durch das Visionieren mittels Fantasiereisen kreativer. Wir stellen uns im Beispiel vor, an welchen Punkten unsere Kunden künftig Kontakt mit der Unternehmensgruppe haben und welchen Mehrwert sie dort erhalten. Man kann sich Produkte, Dienstleistungen, Läden, Händler und vieles andere mehr vorstellen. Eine ganze Reihe an Fantasiereisen sind allerdings erforderlich, um tatsächlich strategische Optionen auszuloten. Durch Visionieren kommen einerseits ungewöhnliche Ideen zustande, andererseits wird man m.E. intuitiver in ihrer Beurteilung. Denn eben nur, wenn man sich etwas vorstellt, spürt man ja, ob man ein gutes oder schlechtes Gefühl dabei hat. Es ist auch immer wieder faszinierend, zu beobachten, wieviel positive Energien durch Visionieren entstehen. Es macht Managern Spass, einander die Szenen zu erzählen und zuzuhören. Oft ist es passiert, dass Mitglieder unser Führungsgruppe sich in diesen Momenten besser zuhören als überhaupt jemals zuvor. Die Zukunft steht dann quasi lebendig im Raum. Die Energie in der Gruppe baut sich dabei fühlbar auf.
Ein Visions-Arbeitskreis dauert in unserem Fall vier Tage, wenn es bereits eine Strategie gab, und etwa fünfmal vier Tage, wenn die Strategie miterarbeitet werden sollte. In einem solchen Arbeitskreis werden natürlich auch die Schwierigkeiten der Gruppenentwicklung bearbeitet. Denn es wäre eine Farce, sich die Vision einer besseren Zukunft auszumalen, wenn man nicht der gegenwärtigen Realität ins Auge blickte. In dieser Realität kann es schlecht geführte Besprechungen, unklare Rollen und Erwartungen, mangelnde gegenseitige Informationen und andere Probleme geben. Die Verwirklichung der Vision muss hier beginnen, wenn sie glaubwürdig sein soll. Der nächste Schritt ist üblicherweise die Einbindung des mittleren Managements. Hierzu kommen zwischen dreizig und achtzig Führungskräfte für drei oder vier Tage zusammen. Dabei dienen die ersten eineinhalb Tage dem Visionieren. Die Methodik ist hier etwas anders, da es schwer und zu fern von der Norm wäre, mit einer solch grossen Gruppe Fantasiereisen zu unternehmen. Kleingruppen überlegen zunächst, wie das Unternehmen und sein Umfeld in Zukunft sein soll. Sie machen sich in unserem Fall ihre Vorstellungen mittels kreativitätsfördernder Darstellungsweisen: es werden Kollagen geklebt, Bilder gemalt, Modelle gebastelt und zum Teil sogar Verse geschrieben. Nach einer Verdichtung in mittleren Gruppen mit 15 Personen folgt am nächsten Tag die Präsentation im Plenum. Das Ausmass an Ideen und Begeisterung, dass dort zutage tritt, ist für mich jedesmal überwältigend. Dabei hilft die Moderation den Beteiligten, aus der Zukunft zu berichten, als ob sie schon da wäre. Denn gerade das macht für die Zuhörenden die Faszination aus und aktiviert aus Erfahrung ihre Vorstellungskraft. Die folgenden zweieinhalb Tage folgt ein robuster Schritt zur Verwirklichung unser Vision. Jeder Unternehmensstandort hat sich über die Jahre seines Bestehens schlechte Gewohnheiten angeeignet. Diese stecken in unzweckmässigen Managementsystemen und Prozeduren, unnötigen Arbeiten, ungeeigneten Reglementen, langwierigen Entscheidungswegen, überflüssigen Meetings, eingeschliffenen unproduktiven Verhaltensweisen und anderem mehr. Schlechte Gewohnheiten schaffen leider Frustration und absorbieren Energien, die eigentlich der Vision zugute kommen sollten. Während einer Art Hausputz werden deshalb alle diese schlechten Gewohnheiten einmal aufgearbeitet und durch gute Gewohnheiten ersetzt. Wo nötig, werden die Bestimmungsgründe für schlechte Angewohnheiten erforscht und auch diese beseitigt. Es werden bei uns zum Abschluss formell eine Reihe von Verträgen geschlossen; zwischen Abteilungen, zwischen Individuen, zwischen der Führungsspitze und dem mittleren Management und so weiter. Dieser Verhaltenscodex besiegelt die neuen guten Gewohnheiten. Hausputz schaffte vor allem Vertrauen und Glaubwürdigkeit beim mittleren Management vor-Ort. Sie wissen fortan, dass die Führungsspitze es wirklich ernst meint mit der Vision4.0. Hausputz ist so gesehen, bereits ein Stück unser gelebten digitalen Vision.
Das gilt allerdings auch für den dritten, empfehlenswerten Schritt, wo alle Mitarbeiter in die Visionsfindung einbezogen werden. Jeweils noch einmal 60-100 Mitarbeiter kommen für einen Tag zusammen. Auch hier werden in kleinen Gruppen mit Kollagen und Bildern Visionen von der Zukunft unseres Unternehmens erarbeitet. Diese Visionen sind Ausdruck der Werte der Mitarbeiter und zeichnen ein wünschbares Idealbild, ganz ähnlich dem der Führungsspitze. Gleichzeitig erhalten sie dabei eine Reihe praktisch umsetzbarer Ideen – übrigens oft zur Verblüffung des Managements. Die Präsentation am Abend ist dann ein Feuerwerk. Die Zukunft des Unternehmens wird auch hier lebendig. Die emotionale Energie baut sich auf.
Es mag vielleicht an dieser Stelle unverständlich erscheinen, alle Mitarbeiter an der Visionsfindung zu beteiligen. Manche Geschäftsführer meinen ja, es schadet, wenn im Unternehmen mehr als einer visionär denkt. Wir haben jedoch die gegensätzliche Erfahrung gemacht. Die Visionen unserer Mitarbeiter betreffen nicht die strategische Ausrichtung der Unternehemensgruppe. Die Mitarbeiter spüren ohnehin, dass sie hiervon nichts verstehen, und halten sich zurück. Doch ihre Visionen betreffen alles andere. Die Visionen unser Mitarbeiter befruchten immer auch die Vision der Führenden. Durch sie werden bei der Führungsspitze die hundert lebendigen Bilder um zahlreiche weitere ergänzt. Mitarbeiter an der Visionsentwicklung zu beteiligen ist für uns ein Ausdruck des Vertrauens und Respekts, es ist ein Stück gelebte Vision4.0. Durch die Beteiligung entsteht ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, ein Sinn für das Ganze und vor allem Begeisterung. Und es wird der emotionale Kontext geschaffen, der es dem Einzelnen erlaubt, sein Verhalten zu ändern im Sinne der digitalen Vision.
Die Einbeziehung aller Mitarbeiter in diese Art der Visionsentwicklung beinflusst schliesslich ebenfalls den vierten Schritt: die Erarbeitung von Visionen in den Ressorts und Abteilungen. Der partizipative Geist, der entstanden ist, überträgt sich auf die Arbeit in den kleineren Einheiten. Dort wurden Abteilungsvisionen erarbeitet und schliesslich Massnahmenpläne abgeleitet. Dieser vierte Schritt findet übrigens nur noch zum Teil mit externer Unterstützung statt. Nur da, wo Führungskräfte ihre Gruppe deutlich voranbringen wollen und aufgeschlossen genug sind, um neue Wege zu beschreiten, werden etwa dreitägige Visions- und Teamentwicklungs-Workshops durchgeführt. Ansonsten arbeiten die Gruppen alleine. Es hilft ihnen unsererseits ein Leitfaden, damit das Ergebnis auch wirklich eine Vision und nicht eine Sammlung von Antworten auf bestehende Probleme ist. Denn Gruppen neigen aus unser Umsetzungs-Erfahrung leicht dazu, nur die heutigen Probleme und nicht die wünschenswerte Zukunft zu sehen.
Ein Visionsprozess, wie er hier beschrieben wurde, vermag ein Unternehmen in hohem Masse zu aktivieren. Es ist für mich interessant, zu beobachten, wie plötzlich an allen möglichen Enden im Unternehmen Aktivitäten beginnen – schon bevor die offiziellen Massnahmenpläne verabschiedet sind. Und es ist erstaunlich, wie sehr sich die traditionelle Unternehmenskultur verändert hat und neue Einstellungen und Verhaltensweisen, wie beispielsweise Gruppengeist entsteht. Visionen4.0 wecken einfach den Wunsch zu handeln. Sie erzeugen eine unwiderstehliche Spannung, da die Realität ja so offensichtlich anders ist als die Vision. Sie übt einen Sog aus. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf das Potenzial des Unternehmens und weg von der Dominanz bestehender Probleme. Vision4.0 ist daher mehr als ein Schlagwort. Visionieren ist ein sehr praktisches Instrument zur Planung und Führung, das kreative Ideen zeitigt und emotionale Energien freisetzt. Die Ideen und Energien, die dafür gebraucht werden, um die Welt von morgen zu bestehen.
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