Umdenken ist angesagt
Wie sich die Zeiten ändern. Lange schien es so, als könne den klassischen Automarkt nichts erschüttern - seine Beständigkeit war einzigartig. Doch dann kamen die ersten Dieselfahrverbote und beschleunigten, was die Autoindustrie jahrelang nur halbherzig anging: die Förderung der E-Mobilität. Vor allem Rabatte auf Listenpreise sollen die Autofahrer zum Kauf bewegen. Die Preisvorteile nähern sich einem Niveau an, das die Marken bei Modellen mit Verbrennungsmotoren bieten. In der Spitze können Kunden zur Zeit bis zu 37 Prozent Nachlass für einen Stromer aushandeln (Ford, Toyota, Mitsubishi). Der PHEV oder Plug-in-Hybridantrieb hat damit seinen grössten Vorteil verloren. Nach jahrelangem Wachstum kommt mit der steuerlichen Neuregelung des geldwerten Vorteils - ab Januar 2019 - ein empfindlicher Dämpfer für die Doppel-Motorautos mit Steckdosenanschluss. Ganz detailliert dafür ist die Einführung des Verbrauchs-Messverfahrens WLTP: es führt in der Regel zu einem Anstieg der Normverbrauchswerte und zur Reduktion der Elektroreichweite und damit zum Entfall des E-Kennzeichens mit allen Vorzügen. In Europa ist eine Mindest-Reichweite von 50 Kilometern zu jeder Jahreszeit nötig und damit eine de-facto Reichweite von 80 Km nach WLTP-Zyklus um im Neuwagen-Förderzyklus zu bleiben. Wer seinen Firmenwagen privat nutzt, muss ihn bislang nach der 1 Prozent Regelung als geldwerten Vorteil versteuern. Ab 2019 ändert sich dies für Elektrofahrzeuge. Dazu beschloss das Bundeskabinett am 01.08.2018 eine Milliarden-Förderung: statt ein Prozent des Listenpreises gilt ab Januar 2019 ein halbierter Satz von 0,5 Prozent. Diese Regelung ist für Neufahrzeuge, die angeschafft oder geleast werden. Der bisherige Nachteilsausgleich, der die Bemessungsgrundlage für E-Fahrzeuge mindert, entfällt damit. Bund und Länder erwarten daraus resultierend knapp zwei Milliarden Steuermindereinnahme, der sich zusätzlich auf die günstigeren Wartungs- und Versicherungsbeiträge von Elektrofahrzeugen im Flottenmanagement auswirkt. Fast 5 Millionen PKW sind in Deutschland in Firmenbesitz. Schliesslich gehen jedes Jahr fast zwei Drittel aller Neuwagenzulassungen auf das Konto von Unternehmen. Firmenwagen machen heutzutage 44 Prozent aller E-Neuzulassungen aus, doch mehr als 57 Prozent aller in Deutschland zugelassenen Firmenwagen kommen aus dem unteren Segment bis einschliesslich der Mittelklasse, weshalb alternative Antriebe aus rein finanziellen Gründen bislang nicht in Frage kamen. Dadurch kann sich ebenso ein reger Gebrauchtwagenmarkt etablieren. E-Fahrzeuge werden noch preiswerter und für eine breite Kundengruppe interessant. Eine Absenkung der Ein-Prozent-Regelung für E-Bikes ist ebenfalls in der Diskussion, aber noch nicht umgesetzt.
Wenn es um die Ankündigung neuer E-Auto Konzepte geht, sind speziell die deutschen Hersteller wahre Weltmeister und zugleich Umsetzungs-Zwerge. Keine Frage: die Umstellung auf Batterie-Fahrzeuge ist kein Kinderspiel. Gut Ding will Weile haben und wird mittlerweile mit Lieferzeiten von über 12 Monaten abgeschreckt. Die Frage, wann Zukunft beginnt, lässt sich damit für Europa nicht mehr beantworten. Nein, aus diesem Stadium ist China oder Indien schon hinaus: die Elektro-Autos, E-Busse, E-Bikes und E-Scooter sind dort nicht mehr wegzudenken! Während deutsche Autofahrer noch zaudern und überlegen, machen die andern einfach mal.
Das Problem zeigt sich beim Blick auf die Akkugrössen der E-Autos: die meisten Haushaltssteckdosen geben nur 3,5 Kilowatt (kW) ab, ein Tesla Modell S bräuchte fast zwei ganze Tage, um seinen 100 kWh grossen Akku zu füllen. Im Gegensatz zur Steckdose mit ihrer mageren Stromleistung versprechen Ladefoxx Wallboxen mit bis zu 22 kW schnelle Ladezeiten. Statt 1:1000 wie von der EU gefordert, liegt diese Schnelllader-Quote in Deutschland schon jetzt bei 1:38. Also doch paradiesische Zustände? Immer noch nicht. Denn viele der Schnelllader liegen nicht dort, wo sie benötigt werden, sondern oft in Industriegebieten oder nur entlang der Fernstrassen. Auch die regionale Verteilung ist unglücklich: während in Baden-Württemberg eine öffentliche Ladesäule im Schnitt einen 20 km2 Radius abdeckt, beträgt das Einzugsgebiet einer Aufladesäule in Brandenburg 340 km2. Nur Tesla hat bislang Ernst gemacht und an 14000 Standorten weltweit Supercharger eingerichtet. Kein Wunder, dass auch Mineralölkonzerne in das Geschäft einsteigen. So hat BP kürzlich 6500 Ladepunkte vom Betreiber Chargemaster übernommen. Das europäische Netz über 25 Länder mit 350 kW-Schnelladepunkten über das niederländischen Unternehmen Fastned steht bereits. Dass 350 kW noch nicht das Ende aller Träume sein muss, zeigt China, wo die ersten 900-kW Lader installiert sind. 900 kW bedeutet 100 km in einer Minute. Neben elektrischen Autos baut der Vorreiter Tesla mittlerweile auch Solaranlagen und Batteriespeicher. So gelingt die Umwelt- und Öko-Wende ohne Reue!
Teilen statt besitzen? Freie Wahl der Verkehrsmittel? Mobilitätsbudgets statt Dienstwagen? Auch diese Ansätze läuten einen Wandel vom Statussymbol Auto ein..... Hinzukommen die einzigartigen Ermässigungen der PKW-Maut allein für E-Fahrzeuge, in Zuge dessen Vergabeverfahrens die festgelegten Vorzüge im Mautbetrieb bekannt wurden.
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